Sonntag, 15. Januar 2012

Gedicht: Applaus für Schuhcreme (grob verallgemeinert)


Ein kleines Stück über Blackface-Tradition und insbesondere das bescheuerte "schwarz-schminken" weißer Schauspieler in deutschen Theaterproduktionen (wie derzeit im Stück Ich bin nicht Rappaport im Schlosspark Theater Berlin, aber nicht nur dort). Ist natürlich meine persönliche Meinung, aber mal ehrlich: Deutschland ist halt kein kulturelles Vakuum, in dem unschuldige Schlumpf-Familien klatschen, tanzen, Lieder singen...




Applaus für Schuhcreme (grob verallgemeinert)

Es gilt Geister und Stümper zugleich zu bändigen
bis sich Meister von Wort und Bewegung verständigen
Ein schillerndes Spiel, eine schrille Kulisse und bissige, schmissige, witzige Wortspiele
Farbe im Gesicht und das Wissen, dass, würde er sich vor Lachen bepissen,
ihm niemand ins Wort fiele. Der falsche Mohr tanzt!
Ein Schmatzen der Lippen, ein leuchtender Lackschuh
ein echter Flamingo im Kegelscheinwerfer 
Ein Brandfleck im Sakko, ein lautloses Grollen
Ein hagerer Mann, fast ein Ledergerippe
Trotz federnder Schritte schmerzen die Bandscheiben
Den Dreck in der Presse kann man ihm nicht ankreiden!
Dranbleiben, der Pawlowsche Hund kann nur so lange sabbern
bis der Knochen geknabbert und die Knabber verdaut ist!
Schaut, s’ist Kritik aus kulturfremden Kreisen
Dass es „Schaumküsse“ heißt, können sie auch nicht beweisen
Und Rassismus ist ein Wort, das gelogen ist
Lass die prätentiösen Spinner toben. Kunst ist da, wo oben ist!
Der Spott, der ganze Ärger und das sinkende Interesse
perlen ab, an der pechschwarzen Schminke in der Fresse
Und so lang kein Afrikaner an der Kasse Karten kauft
kann auch keiner sich beschweren.
Ein Toast auf die Kultur
und freie Kunst in allen Ehren…

Blackface -  ist für Karnevalsstatisten
ist für triste weiße Männer ohne Kopf mit Schalter!
ist für Minstrel-Sänger, ist für Faschos und Rassisten
aber nicht - für Kinder in Deinem Alter!

Die Theaterintendanz stampft empört im Kreis
Das Feuilleton fühlt sich inhaltlich komplett übergangen
Die ganze Bühne ist verstört. Ja, was soll denn der Scheiß?
Wir ham nicht erst gestern damit angefangen
Das macht man so. Ham wa immer so gemacht.
Hat sich keiner beschwert. Ham se alle gelacht.
Aber jetzt schreiense alle, das war ne blöde Aktion
Dabei hatten wir fast niemals ne Blackface Tradition.

Deutschland hatte niemals… weiß gar nicht was das ist
Sowas gabs hier gar nicht. So Blackface und so’n Mist
Deutschland hatte niemals ne Blackface Tradition.
Wirklich fast niemals eine Blackface Tradition
Bis auf die Karikaturen aus des Kaisers Kolonialzeit,
die Afrikaner darstellen wie Schimpansen
wie bizarre Kannibalen mit überzeichneten Lippen
mit Ringen und mit Knochen und mit Röcken und Fransen
Bis auf die Propagandablätter aus den 20er Jahren,
in denen Afrodeutsche „Rheinland Bastarde“ waren
Kinder von Huren, samt Bilder und Geschichten
und den Aufruf, die ganze Meute Wilder zu vernichten
Bis auf das Lichtspielhaus- und Theaterprogramm
mit dem bösen schwarzen Mann, mit einem Heiden-Tam-Tam.
Bis auf den treuen Askari, bis auf den edlen Wilden,
bis auf alles, wie sich Menschen damals kulturell bilden.
Bis auf den Karneval bei uns. Gleiche Zeit, jedes Jahr.
Mit Klamauk und Kostümen. Gleiche Zeit, jedes Jahr.
Mit dick-gemalten Lippen und mit Afroperücken,
und mit Schaumstofftitten und mit Knochen im Haar.

Is jetz nicht so schlimm. Is ja nicht USA...
Die ham da ja so richtig so ne Blackface Tradition
Hier ist das so ja gar nicht, vor allem schon mal
weil hier überhaupt keine Schwarzen Menschen wohnen.
Political Correctness ist so intolerant!
Da leiden Qualität und vor allem die Ästhetik
Kultur ist doch allerhöchstes Gut in diesem Land
Und dann kommen so’n paar Migranten und erzählen was von Ethik.
Und das Feuilleton kotzt. Was für’n Affentheater!
Deutsches Theatergut wird mutwillig zwangszensiert
All die Kritik stammt von der Gedankenpolizei
dank der das Wort Toleranz an Substanz verliert!
Deutschland braucht doch so viel mehr Toleranz
Toleranz ist doch das neue Wort der Stunde
Die Migrationslinge sollten mal viel mehr davon zeigen
Sonst geht Deutschland aber so was vor die Hunde.
Und kapieren tut das keiner, aber ist auch egal.
Wir ham doch wohl die Wahl, wie wir andere darstellen.
Wenn die anderen das nicht wollen, dann hamse halt Pech!
Das, Freunde der Kunst, wollen wir doch mal klarstellen.
Toleranz bedeutet,  ich kann sagen, was ich will
Toleranz ist meine Freiheit, Dich zu nennen, wie ich will
Toleranz heißt, ich kann spielen, wen ich will
Und wenn ich Dich spielen will, Dich zu spielen, wie ich will.
Toleranz heißt, die Last der Geschichte abzulegen
Toleranz ist hohe Kunst, der ich zusehen kann
Toleranz ist meine Freiheit, mal auf Deine zu scheißen
Toleranz heißt, ich mal mich heut mit Schuhcreme an.

Die so-dargestellten warten auf sich selbst
Die so-dargestellten warten auf sich selbst und sehen sich kommen
Und werden als „zu zart-besaitet“ wahrgenommen.
Die so-dargestellten haben kein Interesse daran, so dargestellt zu werden.
Doch vielleicht ham sie Interesse, selber zu bekommen,
wenn sie sich für Theaterrollen bewerben.
Sie ham vielleicht Interesse, mal den Landarzt zu spielen
denn der Arzt in ihrer Straße sieht so aus wie sie.
Oder den Advokat oder den Kinderpsychologen
Doch das erfordert vielleicht etwas zu viel Phantasie.

Blackface ist für Karnevalsstatisten
Ist für triste weiße Männer ohne Kopf mit Schalter
Ist für Minstrel-Sänger, ist für Faschos und Rassisten
Aber nicht für Kinder in deinem Alter!



picture source: http://www.publikative.org/wp-content/uploads/2012/01/rappaport2.jpg

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