Dienstag, 23. November 2010

Decolonizing Porn oder: Wie ich einst über den schwarzen Monsterpenis stolperte...


"OMG! It's sooo big!"
Ok, Uschi und Rolf wollen ihr Sexleben aufpeppen und suchen "Black Boys".
Nun gut. Kann ja sein, dass ich mich irre; dass Sex mit dem Ausleben von Fantasien zu tun hat, jeglich denkbare Fantasie dafür herhalten darf.  Kann sein, dass unter der Bettdecke rassistische Vorstellungen von sexualisierter Exotik in Sehnsucht, Leidenschaft und zwangloses Rumvögeln umgewandelt werden. Kann gut sein, dass davon einige profitieren und das Schlafzimmer in eine political correctness-freie Heterotopie* transformiert wird, die mit dem Anzünden der obligatorischen Rauchware danach verpufft. Ich würde das absolut unterschreiben, wenn da nicht ein so bitterer Nachgeschmack wäre.
Pornographie ist ja quasi das Spiegelbild männlicher Fantasien. Sexualisierte Objekte erfüllen die ihnen erdachte Aufgabe durch stereotype Präsenz. Besonders schwarze Menschen werden in der gegenwärtigen Medienkultur auf ihre Körperlichkeit reduziert. Das ist auffällig, aber keineswegs neu. Folgende Wortwahl ist Reproduktion dieser Tatsache. Wenn die Adult-Entertainment Industrie also sogenannte "Interracial Porn"- Szenen produziert, in denen ein schwarzer Mann (genannt "schwarzer Monsterschwanz", wahlweise plural) Sex hat, mit jungen weißen Frauen (aka "Teenie-Girls", in der Beschreibung meist unmarkiert), dann müssen wir davon ausgehen, dass dies eine direkte Reproduktion der Fantasien einer beachtlich großen Gruppe Menschen ist.
Du darfst mir gerne antworten, diese Fantasie basiere nur auf sportlich-handwerklichem Interesse an der Belastbarkeit menschlicher Physis, aber der Vergleich zum weißen Super-Gau Angst-Szenario: "Vergewaltigung der eigenen weißen Ehefrau/Tochter durch den fremden schwarzen Mann" drängt sich penetrant auf. Und darauf stehen manche Menschen - zumindest, wenn ich der Industrie glauben mag. Diese "Interracial-Porn"-Fantasie unterliegt keiner Wertung. Ich sag nicht, es ist böse; Ich behaupte auch nicht, Cheeseburger essen sei falsch; ich sag nur was so'n Cheeseburger für Inhaltsstoffe hat.

Sprechen wir von Inhaltstoffen:
Genauso wie Bestrafung, Schmerzen, Dominanz und Unterwerfung für BDSM-Fans sexuell erregend sind, bringen jahrhundertealte Angst-Szenarios des "der wilden Bestie ausgeliefert sein" den Konsumenten in Wallung. Da die europäische Aufklärung die Welt bereits vor Jahrhunderten in "zivilisiert" und "barbarisch" kategorisierte und schwarze Menschen als "naturverbundene Barbaren" beschrieb war die Hierarchisierung  des "Selbst" und des "Anderen" bereits gegeben. Schon im 17.Jhdt. hatte die Europäische Literatur das "wilde Andere" als Thema gewählt und Reiseberichte übertrumphten sich in Beschreibungen exotischer Andersartigkeit. Geschichten über den angeblichen Kanibalismus fremder Völker sind noch heute Zeugnisse dieser Zeit. Die deutsche Kolonialzeit hat auch hierzulande Afrikaner_innen als übersexualisierte Untergebene skizziert, vor denen man (besonders Frau) sich zu hüten hatte.
Die Epoche von Greueltaten, die sich weitläufig unter den Begriffen "Transatlantischer Sklavenhandel" und "Sklaverei" verbirgt, hatte auch auf der anderen Seite des Atlantiks weiße Menschen mit der Wechselbeziehung von Furcht und gewaltvoller Anziehung mit dem "Anderen" vertraut gemacht. Opfer dieser "Wechselbeziehung" wurden besonders schwarze Frauen, deren körperliche Unversehrtheit oftmals lediglich von der Laune weißer Aggressoren abhing. Während sie selbst ewig der Gefahr sexueller Übergriffe seitens weißer Männer ausgesetzt waren, wurden schwarze Männer von ihren Schindern selber als mögliche Gefahr für den Leib, insbesondere aber für die körperliche Unversehrtheit der eigenen Gattin oder Tochter betrachtet. Damit war die "wilde Bestie" also existent, rassifiziert und bedrohlich. Die Angst vor der Vergewaltigung der weißen Frau hat überall auf der Welt zu Repressionen und zahllosen Morden geführt. Wir reden von der alleinigen Paranoia, nicht von tatsächlichen Taten.
Vor 70 Jahren
wurden in den USA noch unschuldige schwarze Männer von Bettlakentragenden weißen Männer an Bäumen gelyncht. Der 14-jährige Emmet Till* wurde 1955 auf brutalste Art ermordet, nur weil er einer weißen Frau hinterher gepfiffen hatte. In Südafrika wurden aufgrund von Vermutungen wahrscheinlich noch vor  20 Jahren Männer auf abgelegenen Farmen im Sand verscharrt.

Wenn ich also der Beliebtheit solcher "Schwarzer Mann (...) weißes Mädel"-Pornographie Beachtung schenke, dann weil ich weiß woher diese Fantasien kommen. Dies beschreibt in etwa den bitteren Nachgeschmack des "Interracial Porn". Wenn Pornographie ein Spiegelbild männlicher Fantasien darstellt, dann gibt es auch ein "Ich" auf der anderen Seite. Dieses "Ich" bringt den Porno in die gemeinschaftliche Schlafzimmer und unter die Kiefernholzverkleidung deutscher Hobbykeller. Du musst nicht danach suchen, um in den Kleinanzeigen auf "Black Boy für mittelaltes Paar gesucht"-Anzeigen zu stoßen.  Wenn Uschi und Rolf ihr Sexleben aufpeppen wollen, dann sei ihnen der Versuch nicht anzulasten. Doch die Konstruktionen von "fremd" und "eigen" und die damit verbundenen Konnotationen sind so problematisch, dass die Konsumhaltung unserer Swinger eine Perversion der eigentlichen Idee von sexueller Freiheit darstellt. Freiheit signalisieren höchstens die ausbleibenden Antworten.


Merke, die Rede ist nicht von Liebesbeziehungen, sondern vom Konsum des als "fremd" bezeichneten; Sei es in Form von Pornographie oder von Swinger-Kontakten. Zugegeben, ich mache viele Fässer auf und das Thema ist zu groß, als dass es wirklich in einen Blog Post passt. Ich bitte auch meine teils reisserische Sprache zu entschuldigen. Ich arbeite daran und bessere mich. Freuen wir uns also auf ein weiteres Highlight in unserer beliebten Reihe, wenn es wieder heißt:
"Sorry, wenn ich Dir gerade den abendlichen Porno verdorben habe, aber ich schreib halt über Rassismus..."



*Heterotopie
*Emmet Till

Weitere Informationen: An excerpt from "Pornland: Racy Sex, Sexy Racism: Porn from the Dark Side"

Bild 1:John Pears (http://www.animeporn.com.au/thumbs/john_pearsons.jpg), Bild 2: Kara Walker (http://newyorkarttours.com/blog/wp-content/uploads/2008/10/kara_walker_2_oct2008.jpg) All copyrights of used pictures are reserved to their respective owners.

10 Kommentare:

  1. so ich habe mir jetzt die zeit genommen und mir ein paar gedanken gemacht
    also:
    wahrscheinlich trifft es sogar auf viele zu aber jetzt das große aber wenn du diese unterstellung machst müsstest du die gleiche theorie auf die weiblichen menschen anwenden und ich nehme an du wirst sagen das nicht jede frau sich aus den oben genannten gründen schwarzen menschen angezogen fühlen demnach kannst du die gleiche pauschale unterstellung den männern machen...
    zudem viele pornodarsteller sind einfach nur männer die als sehr männlich angesehen werden
    vielleicht sind die konnotationen/assoziationen garnicht so negative wie du sie unterstellst
    und sie werden als sehr männlich gesehen

    vielleicht finden sie auch nur seine hautfarbe oder sein hüftschwung geil

    aber stimmt schon hast viele sachen angesprochen über die ich mir schon gedanken gemacht habe

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  2. @sha:
    Du hast ganz offensichtlich noch nie was von positivem Rassismus gehört.

    Und nochwas für die Zukunft: Kein Punkt, kein Komma, alles klein geschrieben... Dich kann man echt nur sehr sehr schwer lesen.

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  3. Eine gute Darstellung eines wirklichen Problems. Allerdings fokussierst Du Dich ja auf die männliche Seite, was unter der Prämisse, dass Pornos für Männer gemacht werden auch folgerichtig ist.

    Andererseits finde ich es in dem Zusammenhang auch interessant, wie der "schwarze Mann" als Konstruktion von Fremdheit nich nur mit Ängsten besetzt ist, sondern auch erotisiert wird. (Positiver Rassismus) Der exotische Fremde wird dem langweiligen Einheimischen gegenüber gestellt.

    Wenn ich als Frau somit Pornos anschaue, (und über die Kategorie "interracial" habe ich mich immer schon aufgeregt, weil der Akt zwischen Menschen verschiedener Hautfarben als so besonders, anders, hervorgehoben wird) wird mir bei den interracials suggeriert, dass "schwarze Männer" es mir besser besorgen können, dass sie ungestümer sind und so weiter. Diese Konstruktion von "Wildheit", die Du in Deinem Text schon heraus stellst.

    Es ist in jedem Fall rasistisch. Kann aber einerseits bedrohlich, andererseits auch erotisierend konnotiert sein. Was es nicht besser macht. Doch die Zuschreibung bestimmter stereotyper Merkmale einer "anderen" Gruppe bedeuten auch immer, dass man der eigenen Gruppe diese Merkmale vorenthält oder sie davon befreit. Alles in allem eine Problematik, der man mehr Aufmerksamkeit schenken sollte.

    Gerade positiver Rassismus wird in meinen Augen oft vernachlässigt oder verharmlost.

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  4. Hallo Ihr. Ersteinmal Danke für Kommentare - und dann gleich zum Thema:
    "Positiv Rassismus" ist so eine Sache. In dem Moment, in dem Du in den Topf geworfen wirst, der besagt "Du kannst gut tanzen, bist geborener Sänger und hast nen langen Pimmel", schwimmst Du in exakt der selben Brühe, die auch sagt "ABER Du bist impulsiv, tendenziell gewalttätig und 'uns' geistig unterlegen". Das einzig 'positive' daran ist, dass die negativen Eigenschaften für diesen Moment ausgeblendet werden.
    Werte Mademoiselle, Sie sind im Recht: Mein Text ist nicht nur aus einer männlichen Perspektive geschrieben, er handelt auch fast nur von Männern und beleuchtet damit auch nur eine Seite des "interacial Porn". Die Rolle Schwarzer Frauen als passive oder aktive Sexobjekte in solchen Black/White Szenarien analysieren zu wollen, ist erstens für mich als Mann ein Minenfeld und zweitens wahrscheinlich noch sehr viel unschöner in der Konsequenz der Analyse.
    Wenn ich schon über gewältätige sexuelle Fantasien schreibe, was glaubst Du, welches Szenario 'weißer Mannn/schwarze Frau' im Unterbewußtsein der Konsumenten darstellt?
    ...und das ist etwas für das mir ein Blog nicht mehr geeignet erscheint, denn hier reden wir nicht mehr von bloßer Paranoia, sondern von abertausenden tatsächlicher Verbrechen, die aus heutiger Sicht weitgehend totgeschwiegen werden. Nee,nee. Für so'n Spiel gibt es ne Profi-Liga, in der ich nichts zu suchen habe.

    Ich werde aber wirklich daran weiterarbeiten. Danke nochmal für die Kommentare.
    Gruß
    Phil

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  5. Interessant wäre ja auch, ob schwarze selbst gerne "Interracial Pornos" schauen. Was wäre das dann? Eine rassistische Abwertung der nicht vorhandenen schwarzen Frau?

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  6. @Christian
    Also, zuerst wollte ich Dir ja eine patzige Antwort geben, von wegen "geht Dich ma gar nüscht an, was Schwarze Menschen für Pornos gucken!" und "Deine Neugier kannste ma in deinem eigenen Club ausleben..."
    Aber,
    wenn wir das mal beiseite lassen - legitim ist die Frage an sich schon. Ich denke, Frantz Fanons Kapitel "The Man of Color and the White Woman" in "Black Skin White Masks" hilft vielleicht, der Antwort etwas näher zu kommen. Wenn ich mich recht erinnere, schreibt er über das Verlangen des kolonisierten Mannes über den Kontakt zur weißen Frau sich auch ihrer Machtposition zu nähern und somit Stück für Stück der Rolle des marginalisierten Objekts zu entfliehen. Ich sollte es nochmal lesen. Du aber auch.
    In dem Sinne kannnst du tatsächlich behaupten, der "interracial porn"-Konsum schwarzer Männer basiere möglicherweise auf dem internalisierten, tief im Unterbewußtsein verankerten Wunsch schwarzer Männer, durch sexuellen Kontakt mit weißen Frauen die rassistische Machthierarchie zu überwinden, welche das schwarze, kolonisierte Subjekt auf der untersten Stufe ansiedelt. Das ist allerdings ziemlich schwammig und so ganz wohl ist mir dabei nicht. Wirklich nicht. Die nicht vorhandenen Schwarzen Frauen wären, in dieser Interpretation eher die Kollateralopfer eines internalisierten, rassistischen Machtstrukturen zu verdankenen, kolonialen Minderwertigkeitskomplexes der Männer. Und - eine "rassistische Abwertung" seitens Schwarzer Männer? ...puh, hängt halt nen bisschen von Deiner Definition von Rassismus ab, ne. Sorry, da muss ich passen.
    Das ist eher ne bell hooks Frage. Ich bin mir sicher, sie hat ganze Kapitel über dieses Thema geschrieben. Musste mal die Literatur checken.
    Salute

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  7. Danke für die Antwort! Die Abgrenzung zwischen kolonialen Minderwertigkeitskomplex und Rassismus scheint mir gar nicht so einfach zu sein. Hängt wahrscheinlich tatsächlich von der Definition ab.

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  8. netter artikel, wichtiges thema.
    mache mir auch schon seit jahren gedanken über dieses thema "positiver rassismus" gemacht, und denke auch, dass der begriff das dilemma nicht so ganz fassen kann - die negativen und positiven stereotypen des "anderen" bedingen einander, sind zwei seiten derselben medaille. fühle mich bisher auch nicht in der lage, das ganze angemessen zu fassen, bin mir aber ebenfalls sicher, dass es hierzu bereits eine menge spannendster lektüre gibt. im hirn irgendwo schwimmen das dazu gelesene noch rum... bei chauvinismus (mal harmlos ausgedrückt), rassismus jeder art spielen auch minderwertigkeits- und unterlegenheitsgefühle eine rolle, sowie neidvoll-angewiderte projektionen auf das vermeintlich fremde, das ist auch irgendwie ein alter hut, und immer noch der rede wert.
    ebenso das sexualisieren solcher rassistischger vorstellungen.
    ein buch, das mir hierzu einfällt - ähnliches oberthema, andere ecke - wäre: "neidgeschrei - antisemitismus und sexualität" von gerhard henschel. keine leichte kost, wie das nachdenken über die hier von dir angesprochenen, alltäglich wirksamen klischees, und versaut einem mehr als nur den nächsten porno-abend.

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  9. sorry wegen all der fehler im kommentar! war wohl schon etwas spät, als ich ihn geschrieben habe...

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  10. Sehr interessant.
    Denke der Porno wird allgemein als Tabulose Zone betrachtet das man sich dort andere Freiheiten nehmen kann (sollte man auch?!)
    Da ich nah bei der Reeperbahn wohne wo jemand der Tageszeitungen mit dem N-Wort verkaufen würde, arg Probleme hätte und Disskussionen, sieht man in jedem Laden extrem viele Porno Titel mit genau diesem Namen als Aufhänger.

    Allgemein scheinen die Vorurteile über Gliedmaßen schwarzer Männer unglaubliche Fantasien hervorzubringen und auch normale Verhaltenweisen ausser Kraft zu setzten.
    Bei 4 von 5 Arbeitsplätzen fand sich immer eine besonders interessierte Kollegin die fragte "ob das den stimme mit den Schwarzen".

    Kann mir nicht vorstellen das bei meinem Mann die Frage nach der Länge ihrer Schammlippen bei ihrem Ehemann ein akzeptiertes gesselschaftliches Verhalten gewesen wären.
    Aber habe mich schon öfter gefragt inwieweit schwarze Menschen noch als Sexualobjekt gesehen werden.

    Mache mir auch Gedanken ob diese "interracial porns" positive oder negative folgen haben. Oder dies von Betrachter zu Betrachter verschieden ist. Ähnlich wie Killerspiele vielleicht. Wo ein Nährboden, auch wenn nur unterschwellig, für solche Rassistischen Denkmuster ist wird es vielleicht auch fruchten. Andere beeinflusst dies vielleicht gar nicht.

    Zu dem Thema was Schwarze Männer gerne sehen ,müsste man vielleicht Männer allgemein sehen und dort kenne ich bei vielen das Sprichwort "Pu*** is Pu***".
    Wobei ich denke das bei Menschen mit gesundem Sozialverhalten und Sexleben eher der Akt anregend ist als die Handlung. Während manche die Handlung so aufnehmen das sie versteckte Botschaften auch verinnerlichen.

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