Freitag, 29. Oktober 2010

"The Dancer Must be Mad!" / Warum gegen Rassismus schreiben?

"Lass doch die Kirche im Dorf." Also gut: Warum sollte es nötig sein im Jahre 2010, in Deutschland, in der EU, Rassismus anzuprangern? Einen Gedichtband darüber zu schreiben? Zu bloggen, zu performen, zu singen, zu rappen?
Vielleicht, weil irgendein Verrückter in Malmö mit einem Gewehr Jagd auf Migranten macht. Vielleicht, weil ein Jahr nachdem Marwa El-Sherbini in einem Dresdener Gerichtssaal erstochen wurde, ein weiterer Ägypter (bzw. Deutsch-Ägypter-Iraker) aus rassistischen Motiven in Leibzig niedergestochen wurde. Vielleicht, weil Sarrazins Thesen ein erneutes Aufflammen rassistischer Rhetorik hervorrufen und People of Colour™ wieder dumm auf der Straße angepöbelt werden dürfen. Vielleicht auch einfach, weil die Information, dass Migranten und deutsche "Bindestrich-Identitäten" mündige Bürger sind, die nicht fremdbestimmt werden möchten - dass diese Info - anscheinend immer noch nicht durchgesickert ist.

Those who can't hear the music think the dancer is mad. (Glückskeksweisheit/Anon.)

Ich verstehe sehr gut, dass Menschen, die in Deutschland überhaupt keinem Rassismus ausgesetzt sind, jegliche Diskussionen über dieses Thema als "Hobby" verstehen und von einer intensiven Auseinandersetzung irritiert sind ("Deutschenfeindlichkeit" ist kein Rassismus, Frau Schröder). "Hobby" ist allerdings etwas anderes als das tatsächliche Leben mit Rassismus. Ich wünschte mir auch, ich könnte dieses Thema auspacken, wann mir danach zumute ist und es einpacken, wenn die Sonne den Horizont streift. So geht es aber nicht. Mein Leben richtet sich danach. Nicht, weil es so viel schönen Gesprächsstoff für Partys liefert sondern, weil mein körperliches und seelisches Wohl davon abhängt. Und zwar täglich.
Es bestimmt mit welchen Menschen ich reden kann (ohne ständig meine Existenz rechtfertigen/ erklären zu müssen), in welchen Zug ich steige (ohne auf dem Weg nach Elsterwerda feindseeligen Blicken ausgesetzt sein zu müssen), welches Fernsehprogramm ich schaue (ohne meinesgleichen als dummen, gewalttätigen, sexsüchtigen Primitivling portraitiert sehen zu müssen), welche Stadt ich besuche, wie ich mich in dieser Stadt, um welche Uhrzeit, welchen Menschen gegenüber zu verhalten habe, welchen Job ich annehme, wann ich rede und wann ich lieber die Klappe halte; Es bestimmt, wie ich meine Identität verhandele und wie ich meine Zukunft plane.

There are too many idiots in this world. And having said it I have the burden of proving it. (F. Fanon)

Ich beobachte, dass viele konservative "Mehrheitsdeutsche" in eine Art Schreckstarre verfallen, wenn sie mit einer Narration konfrontiert werden, in der sie nicht mehr über die alte Definitionsmacht verfügen und, in der die "Anderen" eine ganz eigene Sicht der deutschen Zustände beschreiben. Verzweifelt wird versucht, eine Balance der Argumente herzustellen, die zumindest den Anschein erwecken könnte, als redeten wir einfach aneinander vorbei.  Diese Narration ist kein Missverständnis, es ist ein Paradigmenwechsel. Einer, der in UK, USA und SA schon Jahre auf dem Buckel hat, hierzulande aber noch als futuristisch gilt. Schland braucht einfach immer ein paar Jahre länger, um zu verstehen, dass es in keinem diskursiven Vakuum schwebt.
Die Zukunft ist eine großartige Konstante; du kannst Dich wie Sarrazin und Seehofer mit vollem Körpereinsatz gegen den Strom werfen, aber stoppen kannst Du den Fluß nicht. Diejenigen, die sich allerdings treiben lassen; die sperrigen Äste aus dem Weg biegen und anderen aus den Turbulenzen helfen werden in Seelenruhe ihren Platz finden.

Futuristically speaking... Never be afraid!
(Yo Majesty)



Dienstag, 19. Oktober 2010

Die Akte James Knopf - Buchpremiere

Dies sind die ersten zwei Clips meiner Buchpremiere in der Werkstatt der Kulturen in Berlin, als Teil der Lesereihe "Tausend Worte Tief". Gefilmt, geschnitten und geblitzdingst von Michael Küppers-Adebisi (Vielen Dank, Michael.) - halt AFROTAK Style. Und auch vielen Dank an alle Gäste, Freunde, Organisatoren, Barkeeper und Techniker.

"Outstanding Behavour" (mit StephSoul)




"Dein Land"




"Die Akte James Knopf. Afrodeutsche Wort- und Streitkunst" bei Amazon

Sonntag, 17. Oktober 2010

"Irgendwas Relevantes" Raus! / Thoughts on Nosliw

"Nazis raus!" brüllen hilft nicht mehr. Vor zehn Jahren war das alles anders. Da hatten wir gerade die 90er überstanden. Mit Lichterketten, Batik-Tüchern, Tribal Techno und Multikulti-Romantik. Und, ja: Es gab sie noch, in Springerstiefeln und Bomberjacken; und sie haben Menschen zu Tode geprügelt und aus Zügen geworfen. Und was anderes konnten wir sagen, wir, die geschockt und empört und verängstigt und vielleicht einfach nur wütend diesen Gefühlen Worte verleihen wollten? Nazis raus! (Niemand ist damals auf die Fragen "woraus und wohin eigentlich" gekommen).
Aber heute sollten wir mal die Inventarliste abgleichen: Rechtsextreme? Check! Steineschmeisser? Check! Dumpfe politische Mitte? Check!
Nazis: Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich irgendjemand, egal wie radikal oder bescheuert, ernsthaft als "Nazi" bezeichnet. Genauso wenig wie es bekennende Rassisten gibt. Rechte Jugendkultur ist mittlerweile genau das - eine Jugendkultur. Hauptsächlich ansässig in Ostdeutschland und in der Regel überall da, wo's keine Arbeit und paradoxerweise auch keine POCs gibt. Darüber brauchen wir nicht streiten: Ostdeutsche Jugend ist, abgesehen von West-Berlin, einfach rechtslastig. Das ist aber gar nicht unser Problem. Als "Bindestrich-Deutsche" wissen wir, dass Rechtsextreme scheiße sind, die finden uns ja auch scheiße. Keine große Sache. Gefährlich schon, aber das wußten wir halt schon seit den 90ern.

Problematisch hingegen ist die ideologisch Linke und die matschige Mitte. Schon mal versucht einen weißen, dreadgelockten Linken davon zu überzeugen, dass Ethno-Clash Outfits kolonialrassistische Stereotype reproduzieren? Ganz schwer! Und die liberalen Gutmenschen? Und die Nachbarn? Und die nette Tante an der Kasse? Fangen wir erst gar nicht an. Dazu gibt es dutzende tolle Bücher, die ich gar nicht mehr aufzählen kann. Wenn Du nicht aus Neugier oder Versehen auf diesem Blog gelandet bist, dann wirst Du sie ja eh alle kennen.

Wie wär's denn mit "Sarrazins raus!", oder "Banker raus!", oder etwas Klassisches: "Ausländerbehörden-Schreibtischtanten raus!", "Unreflektierte Journalist_innen raus aus der TAZ!"? Ich weiß es doch auch nicht. "Batik-Muttis raus aus dem Trommelkurs!" Lasst Euch was einfallen, aber verschwendet nicht Eure Energie für Messages, die eh keinen mehr vom Hocker hauen. Sorry Nosliw, der Zeitgeist verlangt gerade mehr Kreativität und vor allem ernsthafte Auseinandersetzung. Die Mucke ist trotzdem ...tanzbar.

Donnerstag, 14. Oktober 2010

Clip: Edutainment Attacke

Edutainment Attacke. Kennste schon? Nee? Dann wird's aber Zeit!

Gerade in Zeiten, in denen geltungssüchtige Schnauzbartträger Angst vor den vermeindlich "Anderen" schüren, Umfragen zum "Rechtsextremismus" der deutschen Mitte den Anschein erwecken, als stünden morgen schon die Moscheen in Flammen und jeder Dorf-Prolet wieder offen rassistische Sprüche klopfen möchte, um vom heiligen Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch zu machen,... [Luft holen]...ist es um so wichtiger, dass wir diese mehrheitsgesellschaftliche Subjekt/Objekt-Betrachtung ("christlich, weiß, hetero und patriarchial analysiert den Rest der Welt") aufzeigen, umdrehen und die schweren Geschütze auffahren. Yup! Und zwar immer wieder. Auch wenn der Clip schon nen Jahr alt ist. Die Schnauzbärtigen werden ja auch nicht müde. Also: Attackeeee!!!



Und gleich noch einen hinterher:

Mittwoch, 6. Oktober 2010

REBLOG: Grada Kilomba on "Dealing with Racism in Europe"

Reblog von www.criticalwitness.com







"Kilomba has been lecturing in the frame of postcolonial studies on slavery, memory, trauma and gender at the Humboldt Universität - Berlin, department of Gender Studies; at the Freie Universität - Berlin, department of Psychology and Department of Political Sciences; as well as at the University of Ghana, at Legon/Accra, department of African Studies and Performing Arts.

Currently she is a fellow at the ICI-Berlin, where she is writing in her novel 'Kalunga', a story on the African diaspora, the post-slavery encounter and the world of the Orixás."

(source: www.gradakilomba.com)

Sonntag, 3. Oktober 2010

MALCOLM ROTIERT. Über Synchronsprecher und bunte Hosen

"Nigger, sag nie wieder in deinem Leben irgendwas gegen meine Mutter!" sagte Denzel Washington und schlug dem anderen Schauspieler die Whiskyflasche aus Zuckerglas über den Schädel. Denzel darf das auch. Sowohl das eine, als auch das andere. Zumindest im Film und besonders wenn er den jungen Malcolm X portraitiert. 
So, nun stelle man sich vor Malcolm X würde von einem weißen Schauspieler gespielt, der im ersten Drittel des Films mit N-Wörtern um sich wirft, aber später mit Inbrunst die Rechte Schwarzer US Amerikaner verteidigt. Ganz schön irritierend, auch wenn es nur Schauspielkunst ist. Zumal mir leicht übel wird bei dem Gedanken, wie sich dieser Schauspieler so in seine Rolle einfügen würde. Säße er in seinem Wohnwagen am Set, würde er den Satz "Nigger,.." so lange vor dem Spiegel üben, bis er sich selbst vorkäme wie Detroit Red in den vierziger Jahren? Würde er Dialoge improvisieren und voller künstlerischer Ekstase darüber schwadronieren, wie es sich denn so anfühlt, "Schwarz und unterpriviligiert" zu sein?

Warum ich das erzähle? Mein erster Satz war gelogen. Gesagt hat es nicht Denzel, sondern der deutsche Synchronsprecher Randolf Kronberg. Kronberg ist 2007 verstorben und ich habe keine Ahnung, wie er sich auf seine Rolle vorbereitet hat. Ich gaube, Spike Lee weiß gar nicht, dass seine Filme in Deutschland synchronisiert werden. Nein, ich glaube, weder Spike Lee noch Alex Haley, der das Drehbuch geschrieben hat, noch Malcolm X himself hätten Interesse daran, dass in Deutschland weiße Synchronsprecher Sätze wie "Nigger, sag nie wieder in deinem Leben irgendwas gegen meine Mutter!" ins Mikrofon fluchen und Afrodeutschland gebannt vor den Bildschirmen mitfiebert, als predige Malik Shabazz persönlich. Gut, es ist vielleicht etwas ideologisch, aber - Verdammt, es geht um eine Ikone der Schwarzen Menschenrechtsbewegung; um Selbstbennenung und Befreiung! Wie wär's denn mal mit etwas Fingerspitzengefühl?

Ich erlaube mir mal, im Internet die Hosen runterzulassen. Mit 13 Jahren war mein absolutes Idol Der Prinz von Bel-Air. Meine Hosen waren bunte Ein-Mann-Zelte, meine Schirm-Mütze saß schief auf dem Kopf und wenn ich gut gelaunt war dann hab in "Slang" gesprochen. Und zwar in der selben quietschenden Tonlage eines Will Smiths, Eddie Murphys oder Theo Huxtables (lang lebe die Cosby Show!). Ich habe wahrscheinlich Sachen gesagt, wie "Boah, total verschärft!" oder... mir fällt kein blödsinniger Ausdruck mehr ein, aber Du weißt, was ich meine. Das war mein Schwarzes Deutsch; quasi Teil meiner Selbstfindung. Enorm wichtig in dem Alter. Das absolut perfide an der Sache ist aber: Das waren ja gar nicht Will Smith etc, die so sprachen, sondern Jan Odle, Leon Boden und eben besagter Randolf Kronberg. Angela Bassett war Anke Rietzenstein und die Ausdrucksweise, bzw. die deutsche Übersetzung von Ebonics, afrikanisch-amerikanischer Mundart  - war ausnahmslos erfunden. Ein Scherz weißer Synchronübersetzer. "Was kann Will denn heute sagen? - Lassen wir ihn doch mal was total Beklopptes sagen."

Mittlerweile passen meine Hosen, meine Mützen sitzen gerade und amerikanische Filme gucke ich grundsätzlich im Orginalton (und Malcolm X erst recht). Meist zum Leid meiner Mitbewohner oder Freunde, denen es zu anstrengend ist, einen ganzen Film auf Englisch zu sehen. Deutsch-synchronisierte Filme sind meist klitzekleine rassistische Arsendosen und irgendwann fühlen wir uns geborgen und sicher und kreischen: "Yo Baby, yo Baby, yo! Ey, hab ich denn die kranke Fernbedienung auf dem Scheißhaus gelassen? Wow!!Alter, Ich bin ja total abgefreakt drauf!" ...und Malcolm rotiert.

Ich bin kein Filmwissenschaftler, aber DU vielleicht. Ich würde mich freuen, wenn Du dieses Phänomen wissenschaftlich auseinandernehmen könntest.


Die Stimmen:


Jan Odle (* 1964, eigentlich Ian Kupferberg-Odle) ist ein US-amerikanischer, deutschsprachiger Synchronsprecher und Regisseur.
Odle übernahm als Synchronsprecher die deutsche Stimme vieler bekannter Schauspieler, darunter Will Smith in den meisten seiner Filme und der Serie Der Prinz von Bel Air.


Randolf Kronberg (* 23. September 1942 in Breslau; † 2. März 2007 in München; eigentlich Randolf Schmitt) war ein deutscher Schauspieler und Synchronsprecher. Zuletzt lebte er in München. Einem breiten Publikum ist Kronberg als die deutsche Stimme von Eddie Murphy bekannt geworden.


(Bild unter www.synchronkartei.de)



Denzel Washingtons deutscher Synchronsprecher ist Leon Boden. In Malcolm X wurde er von Randolf Kronberg synchronisiert.

(Bild unter http://extremniki.de)

Samstag, 2. Oktober 2010

FOR COLORED GIRLS

Ntozake Shanges Choreopoem "For Colored Girls who have considered Suicide When the Rainbow is enuf" von 1975 gibt es ab dem 05. November (in Deutschland natürlich erst irgendwann ... ach, never) in den Lichtspielhäusern der Metropolen als monumental besetzte Spielfilmversion zu sehen. 

Ich hatte bereits ganz vergessen, dass Hollywood ja auch gelegentlich kulturell wertvolles auf die Leinwand zaubert. Obwohl ich befürchte, dass es gefährlich nah an "chick flic" vorbeischlittern könnte, ist es jetzt schon ein Highlight meines bescheidenen Kinojahres. Ich freu mich!



Mit: Thandie Newton, Whoopi Goldberg, Anika Noni Rose, Omari Hardwick, Kerry Washington, Janet Jackson, Loretta Devine, Kimberly Elise, Phylicia Rashad, Tessa Thompson und Macy Gray.









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