Donnerstag, 13. Januar 2011

Der Fall Oury Jalloh

Eine Dokumentation von Pagonis Pagonakis zum ersten Prozess in Dessau...





  • Ein aktuelles Interview (13.01.2011) mit dem Filmemacher Pagonis Pagonakis findet ihr bei motorfm.de.



Ein Gedanke zum Prozess

Gesetzt den Fall, Oury Jalloh wäre aufgrund grober Fahrlässigkeit oder gar aufgrund eines schiefgelaufenem, sadistischen Spielchens testosterongeladener Polizisten ums Leben gekommen, dann sollte Deutschland eigentlich kopfstehen. Ich sage sollte, da Deutschland mittlerweile so dermaßen desensibilisiert geworden ist, dass die Medien in ihrem Dauerzustand von Empörung kaum zwischen Menschenrechtsverletzungen und kalkulierter Provokation à la Sarrazin unterscheiden können. Wie dem auch sei; sollte es zu einer solchen durch Beweislast zustande gekommenen Verurteilung kommen, dann sollte sich damit etwas zum Positiven ändern. „Wie zur Hölle kann ein bewiesener Totschlag bzw. eine fahrlässige Tötung positiv sein?“ Es kann, weil die Gewissheit hilft, den Vorfall zu verarbeiten.

Erstens, weil Oury Jalloh, so tragisch es auch ist, tot ist und nichts in der Welt ihn wieder zum Leben erweckt, aber das ihm zugestoßene Unrecht aufgeklärt wäre. Das ist es, was seine Angehörigen wollen und verdient haben. Nur so kann für sie ein schreckliches Kapitel geschlossen werden und ihnen mit der Zeit zur Heilung verhelfen. [So stelle ich es mir vor. Ich habe eine solche Erfahrung nie machen müssen.] Dass Repräsentanten des Staates der Familie Jalloh diese Möglichkeit auf Heilung durch Falschaussagen und kollektiven "Gedächtnisverlust" im letzten Prozess verwehrt haben, kann für die Familie bloß zusätzlich verletzend sein - und für die deutsche Justiz schlicht beschämend. Die Wahrheit muss gefunden werden; den Angehörigen zuliebe.

Zweitens, weil sich Deutschland - bei Verurteilung des Angeklagten- endlich mit institutionellem Rassismus beschäftigen müsste. Dem haarigen Tier will hierzulande niemand wirklich einen Namen geben. Zumindest nicht in der Exekutive. Dass es aber lebt und wild um sich tritt, wirkmächtig und böse, davon kann jede_r Asylbewerber_in, jede Person of Color,... - davon kann ich selbst berichten! Der Prozess könnte es aufdecken. Der Fall Oury Jalloh könnte zum deutschen "Fall Stephen Lawrence" werden. Öffentlich könnte gezeigt werden, dass Polizisten auch nur fehlbare Menschen sind, die ihre jeweiligen Charakterschwächen von ihrer Wohnzimmercouch mit in ihren Job nehmen und dort nach ihrer Façon ausleben oder versuchen, sie unter Kontrolle zu bekommen: Genauso anfällig für niedere Beweggründe, wie Bürger ohne Uniform. Eine solche Erkenntnis könnte dazu führen, dass Deutschland eine unabhängige Kommission zur Untersuchung von Polizeibrutalität bekommt, wie es Amnesty International schon lange fordert (im Gegensatz zur UK stapft der deutsche Staat noch wacker durch die juristischen Feldwege des letzten Jahrhunderts).

Es könnte dazu führen, dass rassistisch-motivierte Straftaten auch gesondert statistisch erfasst werden. Das werden sie bis dato nicht. Rechtsextreme(!) Straftaten werden gesondert erfasst, aber auch nur wenn die Täter offensichtlich dem rechten Milleu angehören (beispielsweise durch NPD-Mitgliedschaft) oder sie sich offen zu rechtsradikalem Gedankengut bekennen. Islamfeindliche Straftaten könnten noch einmal gesondert erfasst werden. Die Bundesregierung hat erst letztens auf Anfrage der Linkspartei erklärt, sie hätten absolut keinen Schimmer, wie viele solcher Delikte es gab, weil sie in keiner Statistik festgehalten werden. Es könnte jemand Verantwortung übernehmen. Ja. Es könnte eine sinnvolle Debatte geben, über Rassismus und Polizeigewalt und und und...

Aber - wenn sie so weitermachen, wie der letzte Prozess aufgehört hat, können sie genauso gut sagen: „Herr Jalloh hat sich selbst die Nase gebrochen und dann gefesselt mit 10cm Bewegungsradius mit seinem unsichtbaren "Tocai"-Einwegfeuerzeug in der Füllung der feuerfesten Matratze gepult und sich selbst komplett in Brand gesteckt.“ Und alle werden freigesprochen. Es könnte auch so kommen, und es würde mich nicht wundern.

Nebenbei bemerkt warte ich immer noch auf den Experten der „Blitzschlag“ ins Spiel bringt... -Zynismus off.



Pic Source: http://www.ouryjalloh-derfilm.de/uploads/images/OuryJalloh_Plakate.jpg

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